My Brightest Diamond

Shara Worden – Eine Hommage

Die Musikerin steht in einem hell erleuchteten Raum vor einem Mikrophon, zwei Glasschränke mit Büchern hinter ihr an der Wand. Sie trägt ein rotes T-Shirt mit dem weißen Schriftzug „I read Pierre Bourdieu“. Eine halbakustische Gitarre umgehängt, sagt sie ungefähr Folgendes: „Mein Name ist Shara, ich komme aus Brooklyn, New York. Ich habe eine Band, die heißt My Brightest Diamond. Manchmal besteht die Band aus einem Streichquartett und einem Drummer. Manchmal nur aus einem Streichquartett, manchmal nur aus einem Drummer und manchmal auch nur aus mir.“
Bevor Shara Worden als My Brightest Diamond unterwegs war, leitete sie eine Band namens Awry. Mit Awry veröffentlichte sie zwei CDs. Die erste, selbstbetitelte, ist nur schwer zu kriegen und die zweite, mit dem koketten Titel The Quiet B-Sides, wurde unlängst wiederveröffentlicht. Sie ist bei abgelegenen Versandhändlern verfügbar. Die MySpace Seite von Awry gibt hierüber Auskunft. The Quiet B-Sides ist eine spröde, zerbrechlich klingende Platte, die durchaus ihren Zauber hat. Kein Baß, kein Schlagzeug. Nur die Gitarre von Shara Worden und hin und wieder ein gezupftes Cello. Ein billiges Keyboard ist auch ab und an zu vernehmen. Auf dem französisch gesungenen Youkali erklingt ein Akkordeon, von ihr selbst gespielt. Und natürlich die wunderbare Stimme Shara Wordens. Es ist ein Album, auf dem sie ihren Weg sucht. Aber schon hier lässt sie ihre Fähigkeit erahnen, wunderbare, eingängige Melodien zu schreiben.
Shara Worden ist in einer Musikerfamilie aufgewachsen. Ihr Vater ist ein mehrfach ausgezeichneter Akkordeonspieler, ihre Mutter klassische Organistin. Shara selbst sang schon früh in einem Kirchenchor. Später studierte sie klassischen Gesang und nennt heute ein Diplom als Opernsängerin ihr eigen
Wenn über Shara Worden geschrieben oder gesprochen wird, fallen regelmäßig die Namen Kate Bush, Beth Gibbons und P.J. Harvey. Diese Vergleiche sind so überflüssig, wie richtig und falsch. Mit Vergleichen wird man Shara Worden nicht gerecht, sie ist sehr eigen und sehr einmalig. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass sie die genannten Musikerinnen durchaus schätzt.
2006 erschien dann das erste Album unter dem Namen My Brightest Diamond, Bring me the Workhorse. Hier ist das ausformuliert, was mit Awry nur angedeutet war. Ein kammermusikalischer Ansatz in der zeitgenössischen, populären Musik. Die Streicher spielen keine untergeordnete Rolle mehr sondern sind unverzichtbarer Teil von Shara Wordens Konzept. Sie liebt den Kontrast zwischen Streichern, Schlagzeug und elektrischer Gitarre. Per Zeitungsanzeige suchte sie die Streicher für diese Aufnahme. Es sollten Musiker sein, die sowohl Pierre Boulez als auch P.J. Harvey hörten. Diese beiden Pole stecken den Horizont ab, in dem sie sich bewegt. Das Album ist voll von Balladen, manchmal elegisch, oft kraftvoll und von einer schier unglaublichen Musikalität. Ihre kompositorischen Qualitäten stehen ihren stimmlichen in nichts nach. Auf Freak Out zeigt sie, dass sie es auch versteht, herrlichen Krach zu veranstalten. Hin und wieder zersägt sie auch mit ihrer aggressiv gespielten Gitarre die sanften Klänge des Streichquartetts. Manche ihrer Songs sind durchaus auch in einer Fassung von Sonic Youth mit der Stimme von Kim Gordon vorstellbar.
Shara Worden verschickte die Songs von Bring me the Workhorse an diverse DJs, verbunden mit der Bitte, die Titel zu bearbeiten. Heraus kamen dreizehn Remixtracks, die 2007 unter dem Titel Tear it Down erschienen sind. Die Clubversion von Bring me the Workhorse sozusagen. Viele dieser Remixe sind sehr gelungen. Dennoch, mir ist My Brightest Diamond pur lieber.
Bevor Bring me the Workhorse erschien, war Shara Worden Mitglied der Band von Sufjan Stevens, auf dessen Label Asthmatic Kitty auch die Alben von My Brightest Diamond erscheinen. Sie stand u. a. auch mit den Decemberists und The National auf der Bühne.
In diesem Jahr erschien ihr aktuelles Werk, A Thousand Shark`s Teeth, auf dem auch ihr Vater am Akkordeon zu hören ist. Als Einflüsse für dieses Album nennt sie Tricky, Ravel, Tom Waits, den deutschen Maler Anselm Kiefer sowie Alice im Wunderland. Es geht hier also zugleich verspielt, leicht und bedeutungsvoll zu.
Der erste Song der Platte, Inside a Boy, ist ein fast schon rockiger Ohrwurm. Ein wundervoller Einstieg. Es gibt keinen Ausfall auf dieser CD, jeder Song hat Qualität und zeugt von der musikalischen Meisterschaft Shara Wordens. A Thousand Shark`s Teeth ist ein kammermusikalisches Popwunder.
Die Beschäftigung mit der Oper zeigt sich in ihrer Vorliebe für ausgefallene Kostüme, mit denen sie manchmal auf der Bühne steht. Es kann auch vorkommen, dass Shara Worden ihre Shows mit Zaubertricks und Schattenspielen auflockert.
Auf den beiden Alben finden sich keine Coverversionen. Live spielt sie aber gerne eigene Versionen von Songs anderer Musikerinnen und Musikern. Vor allem immer wieder die von Edith Piaf, aber auch Nina Simone, Roy Orbison und Bill Withers. Etliche Videos legen davon Zeugnis ab.
Seit dem 23. September gibt eine neue EP von My Brightest Diamond, From the Top of the World. Diese EP, mit vier Stücken, gibt es allerdings nur bei iTunes als Download. Es bleibt die Hoffnung, das diese vier Songs möglicherweise Bestandteil eines neuen Albums sein könnten. Auf dieser EP sind dann auch Coversongs zu finden, natürlich von Edith Piaf, aber auch von Kurt Weill.
Ich warte allerdings auf etwas ganz anderes, nämlich ein Soloalbum von My Brightest Diamond. Etliche Youtube Videos belegen welch enorme musikalische Ausdruckskraft sie auch ohne Streicher und Band hat, nur mit ihrer Stimme und ihrer Gitarre.
Bis dahin folge ich gerne ihrem Satz „Come and fly away with me“. Das geht auch vom heimischen Sofa aus.

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