Frankfurt

Dienstag, 18. Mai 2010

Die Kunst der Straße

FFM-B-08Die fest montierten, grünen Metallstühle auf dem Bornheimer Fünffingerplätzchen sind in der Regel von Männern unbestimmten Alters belegt, die alkoholische Getränke aus dem nahegelegenen Discountmarkt konsumieren. Eindeutige Hinterlassenschaften zeugen von diesem Tun; leere Flaschen, Chipstüten, Zigarettenschachteln liegen verstreut auf dem Pflaster und den Stühlen. Das ist nicht schön, aber normal. An anderen Plätzen in anderen Orten ist das ebenso. FFM-B-01


So war es auch am letzten Samstagabend. Herr K. und ich kamen auf dem Weg vom Irish Pub, in dem wir das Pokalfinale gesehen hatten, zum Klabunt am Fünffingerplätzchen vorbei. Es war kalt wie im Mai und zwei Männer saßen nebeneinander auf den Stühlen, jeder mit einer Bierdose in der Hand. FFM-B-02Alles wie immer also. Und doch war es ganz anders als sonst.
Ein Teppich von IKEA - ich habe den gleichen - lag auf dem Pflaster ausgebreitet, darauf verteilt allerlei Unrat. Alles wirkte arrangiert. Das war kein Zufall, das war gewollt, das war Kunst. Ich fragte die Männer, wer das gemacht hätte.
Das war ich, sagte der, der links saß. Der andere schwieg.
Ob ich die Installation fotografieren und eventuell im Internet veröffentlichen dürfe, war meine nächste Frage. Der Mann war einverstanden und sichtlich erfreut über die Aufmerksamkeit. Es hätte schon jemand anderes fotografiert. FFM-B-05
Den Teppich hätte er gefunden, ebenso das Brot, die gut erhaltenen Damenschuhe und die neuwertigen, weißen Turnschuhe. Es fanden sich ferner einige ortsübliche Dinge auf dem Teppich, leere Flaschen, Zigarettenschachteln und Werbebroschüren.
Ich war begeistert von der unerwarteten Kreativität an diesem Ort des Alkohols und des Mülls und knipste aus allen Perspektiven. Der Künstler legte Wert darauf, dass ich unbedingt die schwarzen Damenschuhe fotografieren solle, sie seien doch so schön. Herr K. machte den Eindruck, als hielte er mich für nicht ganz dicht.
Als ich meine Fotos gemacht hatte, verriet mir der Künstler noch seinen Namen und seine Adresse. Er hätte auch eine Website, wisse aber nicht mehr, wie sie heißt. Bevor ich mich verabschiedete, fragte ich noch, ob ich etwas spenden dürfe. Ich durfte und kramte mein Kleingeld zusammen, es müssen 4 bis 5 Euro gewesen sein. Für die Kunst, sagte ich, als ich ihm das Geld in die Hand drückte. Hans-Peter Kreis, so sein Name, freute und bedankte sich. Später dachte ich, ich hätte ihm auch ruhig zehn Euro spenden können.
Im Klabunt nervte ich Herrn K. mit meinen Fotos und meiner Euphorie.

Auf dem Nachhauseweg kam ich wieder am Platz vorbei. Die Männer waren weg, die Kunst noch da. Noch in der Nacht suchte ich im Internet nach Hans-Peter Kreis, konnte ihn aber leider nicht finden. Eine Website schon gar nicht.FFM-B-06


Am nächsten Tag war das Werk allerdings schon sehr verändert. Die Schuhe fehlten, was verständlich war. Das Brot war noch da, nur zwei Tauben machten sich daran zu schaffen. Sie trippelten respektvoll vom Teppich, als ich mich näherte um zu fotografieren.

FFM-B-07








Einen weiteren Tag später erinnerte nur mehr der Teppich an das Werk. Er lag zusammengefaltet unter einem Mülleimer. Auf dem Platz saßen wieder Männer und tranken Bier. Alles war wie immer.

Samstag, 6. Juni 2009

Der Jaja

Jeden Freitag, pünktlich um 18 Uhr 45, betritt der Jaja das Klabunt. Ich sitze am Tresen, trinke mein Wochenendbier und der Jaja setzt sich ebenfalls an den Tresen. Er tut dies nicht meinetwegen, er weiß gar nicht wer ich bin oder wie ich heiße. Es weiß auch niemand, wie der Jaja heißt.
Aber der Jaja weiß wie der Wirt heißt.
„Der Andreas soll ma widder runner komme“, so sprach der Jaja heute. „Runner“ ist ein Ort, an dem es einen Thomas gibt.
„Grüße vom Thomas, gell!“
Der Jaja ist Handlungsreisender in Sachen Grußübermittlung, ein Grußhausierer. Unverlangt, zuverlässig und pünktlich trägt er Grüße von oben nach unten und von unten nach oben. Jeden Freitag überbringt er Grüße vom Thomas für den Andreas. Die durchdringende Stimme, mit der er dies tut, steht in seltsamem Kontrast zu seiner traurigen Gestalt.
Der Jaja ist ein dünner Mann unbestimmten Alters, mit schütterem Haar und einer silberfarbenen Kassenbrille. Sommers trägt er eine kurze helle Stoffhose, die ehemals eine lange, sicher noch hellere Stoffhose war, sowie ein T-Shirt, das vor vielen Jahren mal neu war. Die kurze Hose offenbart dünne, krampfadrige Beine, die in Turnschuhen stecken. Was sich in dem Stoffbeutel befindet, den er stets bei sich trägt, weiß nur er alleine.
Den Namen der Wirtin des Klabunt kann sich der Jaja nicht merken. Sie ist schlicht „die Scheffin“.
„Scheffin, isch trink heut ma `n Kaffee.“ Das ist nicht überraschend, der Jaja trinkt immer Kaffee, niemals Alkohol. Stets verlangt er auch nach mehr als dem einen, zum Kaffee gereichten, Keks. Es entgeht es ihm dann auch nicht, wenn plötzlich, von Freitag zu Freitag, die Kekssorte gewechselt wurde.
„Des sinn aber annere als letztes Ma. Klaaner sinn se auch. Schmegge tun se abber genauso.“ So sitzt er dann zufrieden mit seinem Kaffee und seinen vier Keksen am Tresen und gibt hin und wieder ein deutlich vernehmbares „ja, ja“ von sich. So kam der Jaja zu seinem Namen.
Der Unterschied zwischen einem Profigrüßer wie dem Jaja und einem Amateur wie mir liegt auf der Hand. Der Profi lässt sich seine Dienste bezahlen.
„Scheffin, gibste mer ma zwei Euro!“
Das Klabunt ist auf diese freitägliche Forderung vorbereitet. Auf der Zapfanlage steht ein Puppenstubenbembel. Darin landet all das „rote Geld“, die Ein-, Zwei- und Fünfcentmünzen, die seltsamerweise auch in einem Wirtshaus anfallen. Manchmal verirrt sich auch eine größere Münze in den winzigen Bembel. Nach einem groben Überblick über den Ertrag stopft sich der Jaja zufrieden die handvoll Münzen in die Hosentasche und verlässt nach zwanzig Minuten das Lokal, nicht ohne die Ermahnung, der Andreas solle mal wieder runner komme. Der Kaffee und die Kekse gehen aufs Haus. Wie jeden Freitag.
Niemals käme der Jaja auf die Idee, an einem anderen Tag als dem Freitag die Grüße vom Thomas zu überbringen. Ich habe ihn schon an anderen Tagen am Klabunt vorbeigehen sehen. Nie hatte er auch nur einen Blick für das Wirtshaus übrig. Unbeirrt zog er seines Wegs.
Gerne wüsste ich wie viel Grüße der Jaja wöchentlich so übermittelt und wer die jeweiligen Absender und Empfänger sind. Manchmal sehe ich ihn, wie er das „China Bistro Fröhlich“ gegenüber vom Klabunt betritt. Wen grüßt er dort und von wem? Die Entlohnung dürfte aber auch im „China Bistro Fröhlich“ die selbe sein, zwei Euro, eine Tasse Kaffee und vier Kekse, so das „China Bistro Fröhlich“ Kekse zum Kaffee reicht. Vielleicht gibt es auch chinesische Glückskekse.
Auch ist mir nicht bekannt wann der Jaja beim Thomas die Grüße für den Andreas abholt. Aber wahrscheinlich erfolgt die Übergabe folgendermaßen:
„Der Thomas soll ma widder nuff komme. Grüße vom Andreas, gell!“

Samstag, 6. Oktober 2007

Frankfurter Autofahrer

Frankfurter Autofahrer

Frankfurt ist eine kleine Stadt. Trotzdem gibt es hier viele Autos. Das verwundert nicht, ist vielmehr in anderen Städten genauso. Das innerstädtische Straßennetz besteht aus einem einzigen Einbahnstraßenlabyrinth. Ortsunkundige, die sich dort verirren, finden so schnell nicht wieder raus.
Der Frankfurter Autofahrer ist ein eigenwilliges Wesen, und unterscheidet sich daher in nichts von anderen Autofahrern anderswo. Auffallend allerdings ist die ausgeprägte Abneigung des FA (wir wollen uns im weiteren Verlauf dieser Betrachtung dieses Kürzels bedienen) den Blinker zu benutzen. Geschätzte 80% aller FA halten es für überflüssig die anderen Verkehrsteilnehmer über eine geplante Richtungsänderung zu informieren. Vielleicht ist es zu anstrengend, den Blinker zu betätigen, vielleicht ist gerade keine Hand frei, wer weiss. Möglicherweise ist die Blinkunwilligkeit aber auch durch das ausgeprägte Einbahnstraßensystem in Frankfurt begründet, das oft keine Wahl lässt, als z.B. rechts abzubiegen. Wenn man sich aber, als Radfahrer etwa, freundlich erkundigt, ob die Karre keinen Blinker hätte, wird man gerne mit einem deftigen „Halt`s Maul du Arschloch“ bedacht. Der FA unterscheidet sich in seiner Ausdrucksweise aber in keiner Weise von seinen autofahrenden Mitmenschen an anderen Orten. Wir wollen ihm da nichts unterstellen.
Es lässt sich aber nicht generell sagen, dass der FA nicht gerne blinkt. Das tut er sogar recht ausführlich und am liebsten auf allen 4 Kanälen. Das Warnblinksystem ist des FA liebstes Accessoire und wird bei allen sich bietenden Gelegenheiten genutzt. Beim regelwidrigen Parken auf Radwegen, Bürgersteigen oder in der zweiten Reihe etwa. Das heißt dann soviel wie „jaja, ich weiß, dass ich hier nicht stehen darf“, oder „bin gleich wieder da“ oder oft auch einfach nur „Obacht, ich stehe hier“. Auch kurz vor dem Wenden wird gerne die Warnblinkanlage in Anspruch genommen, das meint dann „Achtung, ich mache gleich was“.

Das der FA auch gerne beim Fahren telefoniert, und zwar ohne eine lästige Freisprechanlage, versteht sich fast schon von selbst und unterscheidet ihn nicht von seinen Artgenossen anderswo. Ebenso seine Leidenschaft, noch eben bei Rot über die Ampel zu brettern. Da wird auch gerne mal aus hundert Metern Entfernung auf`s Gas getreten um bei „Hellrot“ noch schnell die Ampel zu passieren. Selbstverständlich wird auch gerne da abgebogen, wo dies ausdrücklich untersagt ist. Der FA entwickelt also eine beachtliche kriminelle Energie, wenn er sich hinter das Steuer setzt. Aber auch das unterscheidet ihn nicht unbedingt von anderen Autofahrern anderswo.

Eines allerdings hat der FA allen Anderen voraus und das nutzt er intensiv; das Kennzeichen. Mit einem F und zwei weiteren Buchstaben lässt sich eine ganze Menge anfangen.
Die am weitesten verbreitete Variante ist das F.FM. Dies ist freilich ähnlich originell wie das B.MW, mit dem jeder zweite hauptstädtische BMW Fahrer seine Karosse kennzeichnet. Im Falle eines Totalschadens ist dann aber wenigstens noch das Fabrikat ablesbar.
Der FA ist ein überzeugter Vertreter der Spaßgesellschaft. Daher erfreut sich die Kombination F.UN großer Beliebtheit. Oft zu finden auf kleinen Fahrzeugen wie Smart, VW Beetle oder Mini Cooper. Die enorme Kriminalitätsrate Frankfurts spiegelt sich selbstverständlich auch in den Autokennzeichen wieder, F.BI. Das findet sich gerne an tiefergelegten 3er BMW oder auch an den SUV genannten Bürgerkriegsautos, die sich in Frankfurt, wie überall, großer Beliebtheit erfreuen. Dieses Kennzeichen kann der FA allerdings nicht uneingeschränkt genießen, der ungeliebte Nachbar aus Friedberg kann das nämlich auch, FB.I.
Das der Frankfurter gerne Sport treibt und sich fit hält, weiß jeder, der mal an einem sonnigen Tag einen Spaziergang am Main gemacht hat. Jogger, Radfahrer und Skater ohne Ende bevölkern die Uferpromenade. Auch für diese Begeisterung gibt es das entsprechende Kennzeichen, F.IT. Auch ernährungsbewusste Frankfurter, die sich natürlich auch fit halten, haben die Möglichkeit, ihre einfache Wahrheit per Kennzeichen zu kommunizieren, F.DH. Leider gibt es keine Möglichkeit für den FA, seine Anhängerschaft für die Eintracht per Autokennzeichen zu bekunden. Aber für den kleinen Bruder, den Bornheimer Zweitligaclub, geht das schon, F.SV. Ebenso wie für irgendwelche FC Vereine, F.CK, F.CB. Ansonsten kann der FA natürlich F.AN sein, von was auch immer.

Auch politisch Interessierte kommen nicht zu kurz, allerdings ist die Auswahl hier naturgemäß eingeschränkt. Aber die Anhänger der liberalen Partei haben schon die Möglichkeit, sich zu outen, F.DP. Wer der untergegangenen DDR nachtrauert, kann dies mit einem F.DJ Kennzeichen bekunden, leider nicht in blau. Und wer gerne auch außerhalb Bayerns die dortige Lokalpartei wählen würde, ist mit einem F.JS prima bedient. Auch die Freunde einer mittlerweile verbotenen Nazipartei können unverfänglich ihre Präferenz demonstrieren, F.AP. Na gut, da wollen wir mal keine böse Absicht unterstellen.
Das der Frankfurter ein aufgeschlossener, unverklemmter Zeitgenosse ist, stellt er gerne durch folgende Buchstabenkombination unter Beweis: F.KK. Manchmal ist es dann allerdings doch bedauerlich, dass nur drei Buchstaben zur Verfügung stehen. Aber da ist der FA kreativ und begnügt sich mit der phonetischen Lösung, F.IK (auch möglich in den Varianten F.UK, F.IC, F.UC). Manchen geht diese so offen zur Schau gestellte, Sinnesfreude allerdings zu weit. Sie plädieren für die Freiwillige Selbstkontrolle, F.SK. Was allerdings auch für eine langgediente Popband um Thomas Meineke stehen könnte. Ist allerdings unwahrscheinlich.
Auch eine gewisse Selbstironie kann man dem FA nicht absprechen. Den örtlichen Gegebenheiten angepasste Kleinwagen werden gerne mit dem Kennzeichen F.LO ausgestattet. Märchenfreunde hingegen freuen sich, wenn sie die gute F.EE nach hause trägt.
Manch FA bezieht sich gerne auf lokale Gegebenheiten, die naturgemäß außerhalb nicht zwingend nachvollziehbar sind. Die Hörer eines privaten Radiosenders können so beispielsweise ihre Vorliebe für flachste Musikunterhaltung durch ihr Kennzeichen öffentlich machen, F.FH.
Die Nähe des eigentlichen Wahrzeichens der Stadt, des berühmten Flughafens, sowie der Sitz einer bedeutenden überregionalen Tageszeitung, findet natürlich auch ihren Widerhall im Straßenverkehr, F.LY und F.AZ.

Der größte Feind des Frankfurters ist der Offenbacher. Dessen Kennzeichen, OF, wird in der Regel mit „Ohne Führerschein“ interpretiert. Sollte Ihnen jedoch mal ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen F begegnen, dann raten wir zu äußerster FORSICHT!

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Ich bin umgezogen.
http://geyst.wordpress.com /
Geyst - 3. Aug, 18:20
Teil 15
13.07.10 12 Wochen! Nicht schlecht.
Geyst - 13. Jul, 18:39
Teil 14
29.06.10 Ich musste auf den Kalender an der Wand schauen,...
Geyst - 29. Jun, 12:47
Fan-Plunder
„Aufhören!“, schreit der aktuelle Spiegel die Kanzlerin...
Geyst - 18. Jun, 12:31
Teil 13
15.06.10 Heute vor zwei Monaten hat mein Experiment...
Geyst - 15. Jun, 10:43

RSS Box

Im Ohr


My Brightest Diamond
A Thousand Shark´S Teeth


My Brightest Diamond
Bring Me the Workhorse


Animal Collective
Merriweather Post Pavilion



Bill Frisell
Disfarmer


Joe Henry
Blood from Stars

Wo ist was?

 

Status

Online seit 6372 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 3. Aug, 18:22

Credits


Dies und das
Frankfurt
Gelesen
Hackensack
Neulich
Versuch, das Rauchen aufzugeben
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren