Wer ist Joe Henry

Wer ist Joe Henry?

Wer ist eigentlich Joe Henry und weshalb wusste ich das bis vor einigen Wochen selbst noch nicht? Weshalb musste wieder Freund HPunkt herhalten um meine musikalischen Wissenslücken zu schließen?
Jeder kennt Van Morrison, Tom Waits und Elvis Costello. Aber keiner kennt Joe Henry. Ein deutliches Zeichen für die Ungerechtigkeit dieser Welt. Die Recherche im Netz nach Joe Henry ist ein mühsames Geschäft. Es ist, von einigen wenigen, kurzen Fanbeiträgen und kurzen Zeitungsartikeln abgesehen, so gut wie nichts über ihn zu finden.
Mit den drei genannten Namen ist das Terrain abgesteckt, in dem sich Joe Henry bewegt - auf gleicher qualitativer Höhe bewegt. Er muß sich hier nicht verstecken, und doch scheint es, als hätte ihn jemand hinter diesen Namen versteckt.
Henry ist Singer/Songwriter, verwurzelt, wie so viele, in der Country Music. Aber Joe Henry ist auch Jazzer. Das sind die Pole, zwischen denen er sich bewegt, Country und Jazz.
Auf seiner Website, die erstaunlicherweise auf eine Discographie verzichtet und sich ausschließlich seinem letzten Werk „Civilians“ widmet, finden sich neben den üblichen Pressestimmen, Tourdaten und einem Kochrezept, (Spare Ribs Tuscan Style With White Wine, Garlic and Sage), auch ein Aufsatz Henrys über die Thelonius Monk Komposition „Hackensack“, sowie über seinen Lieblingsjazzer, den Saxophonisten Ornette Coleman (The Ghost in a Song). Und dieser ist dann auch auf der besten Joe Henry Platte zu hören, „Scar“ aus dem Jahre 2001.
„Scar“ ist das Meisterwerk Joe Henrys, dem auf jeder Best of Ever Liste ein Top Ten Platz gebührt. Trotzdem taucht diese Platte auf keiner dieser Listen auf. Wie kann es sein, dass so etwas übersehen, besser, überhört wird. Amazon bietet zu dieser Platte nicht mal Hörproben. Aber hier http://mammoth.go.com/joehenry/ kann man sich das ganze Werk kostenlos in voller Schönheit anhören. Neben dem bereits genannten Ornette Coleman finden sich neben anderen noch weitere illustre Namen auf der Besetzungsliste; Brad Mehldau, Me`shell Ndegeocello und auch Marc Ribot, der vielseitige Gitarrist, der u.a. auch schon mit Tom Waits und Elvis Costello zu hören war.
Die ersten beiden Platten Henrys, „Talk of Heaven“, 1986 und „Murder of Crows“, 1989, waren handwerklich solide, aber doch recht uninspirierte Country-Rock Werke, die niemanden vom Sessel rissen.
Erst mit dem dritten Album von 1990, „Shuffletown“, zeigte sich die große Kunst Henrys, nämlich Country Musik zu schreiben, die jazzig klang. Sicher lag das auch an Don Cherry, der die Trompete spielte, sowie an Cecil McBee am Bass. Aber auch diese Platte erreichte nur einen kleinen Kreis Eingeweihter. Amazon.de verzeichnet einen Anbieter, der die CD für € 76,99 feilbietet.
Es folgten zwei Aufnahmen mit den Jayhawks, „Short Man`s Room“ (1992) und „Kindness of the World“ (1993). Sehr schöne Musik, Country Music, fernab jeder tümelnden Wildwest Romantik - Alternative Country heißt die Schublade. Jetzt wurde Joe Henry, nicht zuletzt durch die Jayhawks, einem größeren Publikum, wenigstens in den USA bekannt.
Es folgte 1996 „Trampoline“, die bis dato vielleicht popigste Platte Joe Henrys. Hierfür holte er sich Unterstützung von dem Helmet-Gitarristen Page Hamilton sowie Darryl Jones; dieser wie Joe Henry ein Wanderer zwischen den Welten, spielte er doch mit den Stones, mit Miles Davis, Sting oder Madonna, um nur einige zu nennen. „Trampoline“ ist ein sehr entspanntes Album, bei dem Henry Streicher sowie Samples einsetzt. Weiter hatte er sich bislang noch nicht vom Country entfernt. „Ein leises Meisterwerk, das mit minimalen Mitteln maximale Wirkung erzielt“, schrieb Stereoplay.
Auf „Fuse“ von 1999 folgt er dem Weg, den er mit „Trampoline“ eingeschlagen hat. Produziert von T-Bone Burnett und Daniel Lanois klingt er, nicht zuletzt durch eingestreute Trip Hop Elemente „moderner“ denn je. Aber auch dieser Platte ist das selbe Schicksal wie den bisherigen beschert. Sie interessiert niemanden.
2001 dann das bereits erwähnte Meisterwerk „Scar“. Meines Wissens nach auch das einzige Pop Album, bei dem sich Ornette Coleman die Ehre gibt. Hier finden sich bei Amazon wenigstens auch mal drei Kundenrezensionen und viereinhalb von fünf Punkten. Recht so. Trotz der Jazzbesetzung ist „Scar“ aber wieder ein Singer/Songwriter Album geworden, ein jazziges zwar, aber der Jazz hält sich dezent im Hintergrund. Nie war Henry näher an Tom Waits, als auf diesem Album. Besonders das Spiel des Gitarristen Marc Ribot ist zum Niederknien. Umwerfend gleich das erste Stück „Richard Pryor Addresses a Tearful Nation“. Eine traumhafte Ballade, die von einem gänsehauterzeugenden Solo Ornette Colemans abgeschlossen wird.
Der Jazz hat es Joe Henry natürlich unüberhörbar angetan. Ganz deutlich wird dies auf dem 03er Album „Tiny Voices“ , einem leider etwas überambitionierten Werk, das sich nicht entscheiden kann, was es sein will, Jazz oder Song. Es ist ein gutes Album, keine Frage, aber wir sind mittlerweile von Joe Henry Besseres gewohnt. Aber auch hier ist die Besetzungsliste wieder von Allerfeinsten. Neben dem Drummer Jim Keltner, der mit allen Größen des Rock und Pop Business gearbeitet hat, wirken der Trompeter Ron Miles und der Klarinettist Don Byron mit.
In diesem Jahr gab es dann endlich wieder ein neues Joe Henry Album „Civilians“. Hier ist er wieder ganz der Singer/Songwriter, auch wenn er sich mit Bill Frisell wieder einen Jazzgitarristen in`s Studio geholt hat. Der allerdings hat selbst schon mal ein eigenes Country Album aufgenommen, „Nashville“ (1997). Und auf der großartigen Platte von Vic Chesnutt , „Ghetto Bells“ (2005) wirkt er auch mit. Frisell ist also den musikalischen Umgang mit Singer/Songwritern gewohnt. „Civilians“ ist ein swingendes, teilweise auch rockendes Album und gehört für mich zu den 5 besten Platten in 2007, und wenn es nur für diesen Satz ist: “Live is short, but by the grace of God, the night is long.“ Große Teile des Albums kann man sich hier anhören: http://www.joehenrylovesyoumadly.com/

Auch wenn man von den genannten Platten noch nie was gehört hat, könnte man trotzdem den Namen Joe Henry schon mal gehört haben. Schließlich hat er schon einen Grammy im Regal. Verliehen für seine Produktion des Solomon Burke Albums „Don`t Give Up On Me“. Das Produzieren ist sozusagen sein Hauptberuf. So produzierte er unter anderem Aimee Mann, Betty LaVette, Elvis Costello und Alain Toussaint sowie zuletzt Loudon Wainwright III.
Und auch ich hätte schon mal über den Namen Joe Henry stolpern können, bevor mir HPunkt auf die Sprünge half. Er wirkt auf einer meiner Lieblingsplatten mit, nein, nicht bei Sonic Youth, aber auf der wunderbaren Platte „Wrong Eyed Jesus“ des Alternative Country Manns Jim White ist er bei drei Stücken zu hören. Aber das ist ein anderes Thema.

Im Februar 2008 kommt Joe Henry nach Europa. Bis heute gibt es noch keinen Termin in Deutschland!


P.S. Beinahe hätte ich es vergessen. Kann ja sein, dass das jemand interessiert. Joe Henry ist der Schwager Madonnas.
turntable - 23. Dez, 17:55

tolles porträt!
weihnachtsgrüße

Geyst - 24. Dez, 09:29

Vielen Dank! Schöne Feiertage.

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