Meine Wecker

Neulich war es wieder soweit, ich musste meine Wecker auf die bescheuerte sog. Sommerzeit umstellen. Ich besitze sechs Wecker, und keiner davon ist ein Funkwecker. Der einzige Funkwecker, den ich jemals besaß, war ein Geschenk meiner Mutter. Ich war damals froh eine Antwort auf die Frage, „Was willst du denn zu Weihnachten?“, gefunden zu haben. Meistens fiel mir zu dieser Frage keine Antwort ein, ich brauchte nie etwas, wenigsten nichts, was sich meine Mutter leisten könnte. „Vielleicht einen Wecker“, antwortete ich. „einen Wecker, der mich sanft aus meinen Träumen holt“.
Sie entschied sich dann für einen Funkwecker, der mich in ansteigenden, fünfminütigen Intervallen aus dem Bett holen sollte. Er hat nicht lange überlebt. Bereits am zweiten Tag flog er, beim Versuch, das lästige Gebimmel abzustellen, vom Nachttisch. Die Batterie fiel raus und der große Zeiger wurde so verbogen, dass er am kleinen hängen blieb.
Damit ereilte ihn das selbe Schicksal wie alle meine Wecker. Ich habe noch jeden vom Nachttisch geschmissen. Die meisten zeigten dann zwar immer noch die Zeit an, weckten aber nicht mehr. Das machte sie mir sympatisch, und ich habe sie nicht entsorgt, nur weil sie vom Wecker zur normalen Uhr mutierten.
Der Funkwecker war nicht der erste, den mir meine Mutter schenkte. Schon vor einigen Jahren beantwortete ich die Weihnachtsfrage mit „Einen Wecker vielleicht“. Wahrscheinlich hatte ich kurz vorher mal wieder einen unbrauchbar gemacht. Sie schenkte mir dann ein Monstrum im Retrodesign vom Kaffeeröster. Auch der flog nach einigen Tagen vom Nachttisch. Allerdings ging dabei nur das Glas zu Bruch, ansonsten funktionierte er noch. Noch heute steht er neben meinem Bett, wo ich ihn aber eigentlich nicht mehr brauche. Zumal sein morgendliches Geklingel nur sehr schwer zu ertragen ist. Ein Tag, der mit so einem furchtbaren Geräusch beginnt, kann kein guter Tag werden. Irgendwann habe ich den Retrowecker durch ein moderneres Modell ersetzt, ebenfalls vom Kaffeeröster. Ein kleiner Wecker im Taschenformat in einem stabilen Metallgehäuse. Er hat den Crashtest gut überstanden, nur die Knopfbatterie flog raus und ließ sich, nachdem ich sie endlich unter dem Bett gefunden hatte, problemlos wieder einsetzen.
In meiner Küche steht neben dem Herd eine Uhr, die ebenfalls ehemals ein Wecker war. Sie ist ein Geschenk von D. und so ziemlich alles, was ich noch von ihr habe; ein paar Fotos, jede Menge schöner Erinnerungen (die weniger schönen habe ich verdrängt) und eben dieser Wecker. Sie schenkte ihn mir zum Geburtstag, oder zu Weihnachten, ich weiß es nicht mehr. Aber ich hatte mir einen Wecker gewünscht, ein Modell, bei dem man die Zeit ablesen kann. Das ist heutzutage nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Ein schlichter analoger Wecker, also mit Zeigern, sollte es sein und das wurde er dann auch. Heute ist er voller Fettspritzer und dient mir als Eieruhr. Was aus D. geworden ist, weiß ich nicht, obwohl wir mittlerweile wieder in der selben Stadt wohnen, nur ein paar Straßen voneinander entfernt.
Einmal, es ist schon sehr lange her, ich wohnte mit B. zusammen, habe ich einen Wecker an die Wand geschmissen. Er klingelte, ich nahm ihn und schmiss ihn gegen die Wand. Er zerbarst in mehrere Teile und die Zeiger, sie waren rot, landeten dicht beieinander am Kopfende meines Bettes auf dem Boden. Ich nahm das als ein Zeichen – für irgendwas. Es war das einzige Mal, dass ich einen Wecker mutwillig zerstört habe, falls sich von Mutwilligkeit sprechen lässt, wenn man abrupt aus der Tiefe des Schlafs geholt wird und noch unzurechnungsfähig ist. Ich weiß nicht mehr, ob B. mir den Wecker geschenkt hatte, aber an ihr lag es jedenfalls nicht, dass ich ihn an die Wand geschmissen habe. Ihretwegen habe ich nur mal ein volles Bierglas über den Tresen auf die Spüle einer Kneipe gestoßen. Aber das ist eine andere Geschichte.

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